Iranian women's Network Association (SHABAKEH)

DROHENDE HINRICHTUNG

UA-Nr: UA-332/2004
AI-Index: MDE 13/048/2004
Datum: 10/12/2004

DROHENDE HINRICHTUNG
Iran: Leyla M., 19-jähriges, geistig behindertes Mädchen

Leyla M., welche die geistigen Fähigkeiten eines achtjährigen Kindes aufweist, ist in unmittelbarer Gefahr, wegen „Moralvergehen“ hingerichtet zuwerden, weil man sie seit ihrer Kindheit zur Prostitution gezwungen hat. Laut der Meldung einer Teheraner Zeitung vom 28. November 2004 wurde sie von einem Gericht in der zentraliranischen Stadt Arak zum Tode verurteilt, als sie 18 Jahre alt war. Das Todesurteil ist nun dem Obersten Gerichtshof zur Bestätigung vorgelegt worden.

Laut einem Bericht der Tageszeitung „Khorasan“ vom 5. Mai 2004 wurde Leyla M. wegen „Handlungen, die der Keuschheit zuwiderlaufen“ (a’mal-e khalaf-e ‘ofat) zum Tode verurteilt. Die Anklage bezog sich darauf, dass sie ein Bordell betrieben, Geschlechtsverkehr mit Blutsverwandten gehabt (eteham-e zena ba maharem) und uneheliche Kinder zur Welt gebracht (tavallod-e bache-e haram) haben soll. Vor der Hinrichtung soll sie zudem ausgepeitscht werden. In dem Artikel hieß es weiter, dass sie die Anschuldigungen „gestanden“ habe und es ein Berufungsverfahren geben werde.

Der Zeitungsbericht vom 28. November 2004 deutete darauf hin, dass der Berufungsprozess nun abgeschlossen sei. Sozialarbeiter sollen demnach wiederholt die geistigen Fähigkeiten der jungen Frau untersucht haben und jedes Mal zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sie über die geistigen Fähigkeiten einer Achtjährigen verfüge. Leyla M. ist jedoch offenbar zu keiner Zeit von gerichtlich bestellten Fachärzten untersucht worden. Das Todesurteil gründete sich allein auf ihr „Geständnis“, ohne dass mildernde Umstände ihrer Biografie und ihres Geisteszustands berücksichtigt worden wären.

Gemäß des Zeitungsartikels vom 28. November 2004 wurde Leyla M. von ihrer Mutter im Alter von acht Jahren zur Prostitution gezwungen und soll dabei wiederholt vergewaltigt worden sein. Ihr erstes Kind bekam sie mit neun Jahren, und ungefähr in diesem Alter hat man sie wegen Prostitution zu 100 Peitschenhieben verurteilt. Als sie zwölf Jahre alt war, wurde sie als „zeitlich befristete Ehefrau“ an einen Afghanen verkauft. Ihr Mutter zwang sie aber auch weiterhin zur Prostitution. Mit 14 wurde Leyla M. erneut schwanger und ein zweites Mal zu 100 Peitschenhieben verurteilt. Nach Vollstreckung der Prügelstrafe brachte sie Zwillinge zur Welt. Nach Beendigung der „zeitlich befristeten Ehe“ wurde sie erneut verkauft, diesmal an einen 55-jährigen verheirateten Mann und Vater zweier Kinder. Sie musste in seinem Haus weiter als Prostituierte arbeiten. Obwohl im Fall von „Geschlechtsverkehr mit einem Blutsverwandten“ beide Beteiligte nach iranischem Recht die Schuld tragen, ist nach Kenntnis von amnesty international in den vorliegenden Zeitungsberichten nur von ihrer Verurteilung die Rede.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das iranische Recht kenn zwei Arten von Eheschließungen: „permanente" und „zeitlich befristete", für einen Zeitraum, der zwischen 24 Stunden und 99 Jahren liegen kann. Ein Mann kann bis zu vier permanente und zahlreiche weitere temporäre Ehefrauen haben.

Als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen hat sich der Iran dazu verpflichtet, keine minderjährigen Straftäter hinzurichten. Beide Abkommen legen fest, dass die Todesstrafe nicht bei Straftaten verhängt werden darf, die von Personen vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen worden sind. Die iranischen Behörden beraten nach vorliegenden Informationen derzeit über einen Gesetzentwurf bezüglich der Einrichtung von Jugendgerichten, in dem das Mindestalter für die Todesstrafe auf 18 Jahre erhöht werden soll. Laut § 41 dieses Gesetzes ist es vorgesehen, dass die Behörden minderjährige Straftäter von Psychiatern und Sozialarbeitern untersuchen lassen.

Im Iran sind in diesem Jahr nach Kenntnis von amnesty international mindestens drei minderjährige Straftäter hingerichtet worden. Außerdem starb am 12. November 2004 ein 14-jähriger Junge nach 85 Peitschenhieben, weil er im moslemischen Fastenmonat Ramadan in der Öffentlichkeit gegessen hatte. Laut unbestätigten Berichten traf ihn das Metallkabel, mit dem er ausgepeitscht wurde, am Hinterkopf und verursachte eine Hirnblutung.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe, E-Mails oder Luftpostbriefe, in denen Sie

sich angesichts der Berichte besorgt zeigen, wonach die 19-jährige, geistig behinderte Leyla M. wegen Straftaten zum Tode verurteilt worden ist, die sie als Minderjährige begangen hatte, und darauf verweisen, dass sie die geistigen Fähigkeiten eines achtjährigen Kindes aufweist;

den Obersten Gerichtshof auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass Leyla M. § 41 des Gesetzesentwurfs über die Einrichtung von Jugendgerichten von Sozialarbeitern und Psychiatern untersucht wird;

den obersten Leiter der Justizbehörde daran erinnern, dass ihre Hinrichtung die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verletzen würde, zu deren Vertragsstaaten der Iran gehört;

sich nach Einzelheiten des Gerichtsverfahrens sowie möglicher weiterer Rechtsmittel in dem Fall von Leyla M. erkundigen;

die Behörden um die Zusage bitten, dass Leyla M. Zugang zu einem Rechtsanwalt ihrer Wahl erhält und erforderlichenfalls medizinisch versorgt wird;

die Behörden auffordern, das Todesurteil gegen Leyla M. umgehend zu überprüfen und umzuwandeln;

Ihre bedingungslose Ablehnung der Todesstrafe zum Ausdruck bringen, da sie eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe und die Verletzung des fundamentalen Rechts auf Leben darstellt;

Ihre Sorge und Bestürzung darüber zum Ausdruck bringen, dass amnesty international seit 1990 bereits zehn Hinrichtungen minderjähriger Straftäter im Iran dokumentiert hat, davon drei im Jahr 2004, und die iranischen Behörden auffordern, die Hinrichtung minderjähriger Straftäter umgehend auszusetzen.

APPELLE AN:

His Excellency Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei, Leader of the Islamic Republic, The Presidency, Palestine Avenue, Azerbaijan Intersection, Tehran, ISLAMISCHE REPUBLIK IRAN (Religionsführer - korrekte englische Anrede: Your Excellency)
Telefax: (00 98) 21 649 5880 (mit dem Zusatz: "For the attention of His Excellency, Ayatollah al Udhma Khamenei, Qom“)
E-Mail: info@wilayah.org („For the attention of His Excellency, Ayatollah al Udhma Khamenei, Qom“)

His Excellency Ayatollah Mahmoud Hashemi Shahroudi, Head of the Judiciary, Ministry of Justice, Park-e Shahr, Tehran, ISLAMISCHE REPUBLIK IRAN (oberste Justizautorität - korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: irjpr@iranjudiciary.org (“Please forward to HE Ayatollah Shahroudi”)

KOPIEN AN:

Chairperson, Article 90 Commission (Komisyon-e Asle Navad), Majles-e Shura-ye Eslami, Imam Khomeini Avenue, Tehran, ISLAMISCHE REPUBLIK IRAN
(Vorsitzender des parlamentarischen Rechts- und Petitionsausschusses)
Telefax: (00 98).21-646 1746
E-Mail: mellat@majlis.ir

Kanzlei der Botschaft der Islamischen Republik Iran, Podbielski Allee 65-67, 14195 Berlin
(S. E. Herrn Seyed Shamseddin Khareghani)
Telefax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch.